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Generalunternehmer

Generalunternehmer – Definition und Bedeutung im Vergabewesen

Was ist ein Generalunternehmer?

Ein Generalunternehmer (GU) ist im Vergabewesen ein Unternehmen, das die Gesamtverantwortung für die Ausführung eines Auftrags übernimmt und als alleiniger direkter Vertragspartner des Auftraggebers fungiert. Der Generalunternehmer verpflichtet sich vertraglich, sämtliche für das Projekt erforderlichen Leistungen zu erbringen, wobei er typischerweise einen Teil der Leistungen selbst ausführt und weitere Teile an spezialisierte Nachunternehmer vergibt. Im Gegensatz zur Einzelgewerkvergabe, bei der der Auftraggeber mit jedem ausführenden Unternehmen separate Verträge schließt, besteht beim Generalunternehmermodell nur ein Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Generalunternehmer.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Um das Konzept des Generalunternehmers besser zu verstehen, ist eine Abgrenzung zu ähnlichen Modellen hilfreich:

  1. Generalübernehmer (GÜ): Übernimmt wie der GU die Gesamtverantwortung für ein Projekt, führt jedoch keine der Leistungen selbst aus, sondern vergibt alle Arbeiten an Nachunternehmer.
  2. Totalunternehmer (TU): Übernimmt zusätzlich zur Ausführung auch die Planung des Projekts und ist damit für Planung und Bau verantwortlich.
  3. Totalübernehmer (TÜ): Ist für Planung und Ausführung verantwortlich, führt aber alle Leistungen durch Nachunternehmer aus.
  4. Einzelgewerkvergabe: Der Auftraggeber beauftragt die verschiedenen Gewerke direkt und übernimmt selbst die Koordination.

Rechtliche Grundlagen des Generalunternehmermodells

Das Generalunternehmermodell ist im deutschen Vergaberecht nicht explizit geregelt, basiert jedoch auf den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts und den spezifischen Regelungen zum Nachunternehmereinsatz:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Grundlage für den Werkvertrag zwischen Auftraggeber und Generalunternehmer
  • Vergabeverordnung (VgV) und Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB): Regelungen zum Nachunternehmereinsatz
  • § 4 Nr. 8 VOB/B: Regelungen zur Weitergabe von Leistungen an Nachunternehmer

Im öffentlichen Vergaberecht ist zu beachten, dass die Beauftragung eines Generalunternehmers eine bewusste Entscheidung des Auftraggebers für diese Vergabeform darstellt und entsprechend in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt werden muss.

Vorteile des Generalunternehmermodells für Auftraggeber

Für Auftraggeber bietet das Generalunternehmermodell zahlreiche Vorteile:

  1. Zentrale Ansprechstelle: Ein einziger Vertragspartner dient als zentraler Ansprechpartner für alle Belange des Projekts.
  2. Risikotransfer: Wesentliche Ausführungsrisiken werden auf den Generalunternehmer übertragen, der für alle Nachunternehmerleistungen haftet.
  3. Reduzierter Koordinationsaufwand: Die Koordination verschiedener Gewerke und Nachunternehmer obliegt dem Generalunternehmer.
  4. Klare Verantwortlichkeiten: Durch die eindeutige Zuordnung der Gesamtverantwortung werden Schnittstellenprobleme minimiert.
  5. Terminsicherheit: Der Generalunternehmer trägt die Verantwortung für die Einhaltung des Gesamtzeitplans.
  6. Kostensicherheit: Durch einen Pauschalpreisvertrag kann eine hohe Kostensicherheit erreicht werden.
  7. Vereinfachtes Mängelmanagement: Bei Mängeln muss sich der Auftraggeber nicht mit einzelnen Nachunternehmern auseinandersetzen.

Chancen für Bieter als Generalunternehmer

Für Unternehmen, die als Generalunternehmer auftreten, ergeben sich spezifische Chancen:

  1. Höhere Wertschöpfung: Durch die Übernahme der Gesamtverantwortung können höhere Margen erzielt werden.
  2. Gestaltungsfreiheit: Bei der Auswahl und Koordination von Nachunternehmern besteht ein größerer Handlungsspielraum.
  3. Kundenbindung: Die intensive Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber während des gesamten Projekts stärkt die Kundenbindung.
  4. Referenzprojekte: Erfolgreiche Generalunternehmerprojekte dienen als wertvolle Referenzen für zukünftige Ausschreibungen.
  5. Entwicklungsmöglichkeiten: Erfahrungen als Generalunternehmer ermöglichen die Weiterentwicklung zum Total- oder Generalübernehmer.

Herausforderungen und Risiken für Generalunternehmer

Die Rolle des Generalunternehmers bringt auch erhebliche Herausforderungen mit sich:

  1. Erhöhtes Haftungsrisiko: Der Generalunternehmer haftet vollumfänglich für sämtliche Leistungen, auch die der Nachunternehmer.
  2. Koordinationsaufwand: Die Steuerung und Koordination mehrerer Nachunternehmer erfordert erhebliche Ressourcen und Expertise.
  3. Kalkulationsrisiken: Die Gesamtkalkulation muss alle Einzelleistungen, Koordinationsaufwände und Risikozuschläge berücksichtigen.
  4. Liquiditätsbelastung: Oftmals müssen Zahlungen an Nachunternehmer geleistet werden, bevor der Auftraggeber zahlt.
  5. Nachunternehmerauswahl: Die sorgfältige Auswahl zuverlässiger Nachunternehmer ist erfolgskritisch.
  6. Schnittstellen-Management: Die Koordination der Schnittstellen zwischen verschiedenen Gewerken erfordert besondere Aufmerksamkeit.
  7. Vertragliche Risiken: Die Verträge mit Nachunternehmern müssen mit dem Hauptvertrag kompatibel sein.

Erfolgsfaktoren für Bieter als Generalunternehmer

Um als Generalunternehmer erfolgreich zu sein, sollten Bieter folgende Faktoren berücksichtigen:

  1. Professionelles Nachunternehmer-Management: Entwicklung eines strukturierten Prozesses für Auswahl, Vertragsgestaltung und Steuerung von Nachunternehmern.
  2. Sorgfältige Risikoanalyse: Frühzeitige Identifikation und Bewertung potenzieller Risiken sowie Entwicklung geeigneter Maßnahmen zur Risikominimierung.
  3. Umfassende Kalkulation: Berücksichtigung aller direkten und indirekten Kosten, einschließlich Koordination, Risikozuschlägen und Gemeinkosten.
  4. Klare Vertragsgestaltung: Entwicklung ausgewogener Vertragswerke für die Nachunternehmer, die mit dem Hauptvertrag harmonieren.
  5. Effizientes Projektmanagement: Implementierung strukturierter Prozesse für Planung, Steuerung und Kontrolle des Gesamtprojekts.
  6. Qualitätsmanagement: Etablierung wirksamer Qualitätssicherungsmaßnahmen für alle Teilleistungen.
  7. Professionelle Kommunikation: Aufbau klarer Kommunikationsstrukturen sowohl mit dem Auftraggeber als auch mit den Nachunternehmern.

Praxistipps für die Angebotsphase als Generalunternehmer

Für Bieter, die sich als Generalunternehmer an Ausschreibungen beteiligen möchten, sind folgende Aspekte in der Angebotsphase besonders wichtig:

  1. Leistungsanalyse: Gründliche Analyse der ausgeschriebenen Leistungen und Identifikation der Leistungsteile, die an Nachunternehmer vergeben werden sollen.
  2. Frühzeitige Nachunternehmerbindung: Einholung verbindlicher Angebote von potenziellen Nachunternehmern bereits während der Angebotsphase.
  3. Risikoaufschläge: Berücksichtigung angemessener Risikozuschläge in der Kalkulation, besonders bei komplexen oder unklaren Leistungsbeschreibungen.
  4. Vertragsgestaltung: Kritische Prüfung der Vertragsbedingungen, insbesondere hinsichtlich Haftung, Gewährleistung und Zahlungsbedingungen.
  5. Nachunternehmerkonzept: Erstellung eines überzeugenden Konzepts für die Nachunternehmerkoordination als Teil des Angebots.
  6. Referenzen: Hervorhebung relevanter Erfahrungen als Generalunternehmer in vergleichbaren Projekten.
  7. Schnittstellenmanagement: Entwicklung eines klaren Konzepts für die Steuerung der Schnittstellen zwischen verschiedenen Gewerken.

Typische Vertragsmodelle für Generalunternehmer

Bei der Vertragsgestaltung zwischen Auftraggeber und Generalunternehmer haben sich verschiedene Modelle etabliert:

  1. Pauschalpreisvertrag: Der Generalunternehmer erhält einen festen Preis für die Gesamtleistung, unabhängig von den tatsächlichen Kosten.
  2. Einheitspreisvertrag: Die Vergütung erfolgt auf Basis tatsächlich erbrachter Mengen zu vereinbarten Einheitspreisen.
  3. GMP-Vertrag (Guaranteed Maximum Price): Es wird ein Maximalpreis vereinbart, Kosteneinsparungen werden nach einem definierten Schlüssel zwischen Auftraggeber und Generalunternehmer geteilt.
  4. Cost-Plus-Fee-Vertrag: Der Generalunternehmer erhält die tatsächlichen Kosten plus einen vereinbarten Zuschlag oder Honorar.

Die Wahl des geeigneten Vertragsmodells hängt von der Art des Projekts, der Risikoverteilung und den spezifischen Anforderungen des Auftraggebers ab.

Fazit

Das Generalunternehmermodell stellt eine wichtige Option im Vergabewesen dar, die sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter erhebliche Vorteile bieten kann. Für Auftraggeber steht die Reduktion von Koordinationsaufwand und Schnittstellen bei gleichzeitiger Risikominimierung im Vordergrund. Bieter können als Generalunternehmer eine höhere Wertschöpfung erzielen und ihre Position im Markt stärken.

Die Rolle des Generalunternehmers erfordert jedoch umfassende Kompetenzen im Projektmanagement, in der Nachunternehmersteuerung und im Risikomanagement. Für Bieter ist eine sorgfältige Abwägung der Chancen und Risiken sowie eine professionelle Vorbereitung und Durchführung des Generalunternehmerprojekts entscheidend für den Erfolg.

Mit den richtigen Strategien und Strukturen können Unternehmen als Generalunternehmer nicht nur ihre Marktposition stärken, sondern auch langfristige Kundenbeziehungen aufbauen und ihr Leistungsspektrum erweitern.