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Ex-Ante Ausschreibung

Ex-ante-Bekanntmachung – Definition, Funktion und Bedeutung im Vergaberecht

Was ist eine Ex-ante-Bekanntmachung?

Eine Ex-ante-Bekanntmachung (auch Ex-ante-Transparenzbekanntmachung genannt) ist ein besonderes Instrument im Vergaberecht, das öffentlichen Auftraggebern ermöglicht, ihre Absicht zur Durchführung einer Direktvergabe ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb vorab transparent zu machen. Der Begriff "ex ante" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "im Voraus" oder "vorher" – es handelt sich also um eine vorausschauende Bekanntmachung, die vor der eigentlichen Auftragsvergabe veröffentlicht wird.

Wann wird eine Ex-ante-Bekanntmachung eingesetzt?

Eine Ex-ante-Bekanntmachung kommt typischerweise in folgenden Situationen zum Einsatz:

  1. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb: Wenn ein Auftraggeber beabsichtigt, einen Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zu vergeben.
  2. Freihändige Vergabe: Bei der geplanten Durchführung einer freihändigen Vergabe ohne öffentliche Ausschreibung.
  3. Rechtliche Ausnahmetatbestände: Wenn der Auftraggeber sich auf einen der gesetzlichen Ausnahmetatbestände beruft, der eine Direktvergabe rechtfertigt (z.B. technische Besonderheiten, Ausschließlichkeitsrechte, besondere Dringlichkeit).
  4. Vergaben an verbundene Unternehmen: Bei der Vergabe von Aufträgen an verbundene Unternehmen nach den speziellen Regelungen für Sektorenauftraggeber.

Rechtliche Grundlagen der Ex-ante-Bekanntmachung

Die Ex-ante-Bekanntmachung ist in verschiedenen Rechtsquellen verankert:

  • § 135 Abs. 3 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen): Regelt die Möglichkeit der Ex-ante-Bekanntmachung als Schutz vor einer späteren Unwirksamkeit des Vertrags.
  • § 30 VgV (Vergabeverordnung): Enthält Bestimmungen zur Ex-ante-Bekanntmachung für öffentliche Auftraggeber.
  • § 44 SektVO (Sektorenverordnung): Regelt die Ex-ante-Bekanntmachung für Sektorenauftraggeber.
  • EU-Richtlinie 2014/24/EU: Bildet die europarechtliche Grundlage für die nationale Umsetzung.

Sinn und Zweck der Ex-ante-Bekanntmachung

Die Ex-ante-Bekanntmachung erfüllt mehrere wichtige Funktionen im Vergabeverfahren:

  1. Rechtssicherheit für Auftraggeber: Die Veröffentlichung einer Ex-ante-Bekanntmachung kann den Auftraggeber vor einer späteren Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags schützen. Wenn nach der Bekanntmachung innerhalb einer bestimmten Frist kein Nachprüfungsverfahren eingeleitet wird, kann der Vertrag später nicht mehr für unwirksam erklärt werden.
  2. Transparenz im Vergabeverfahren: Obwohl keine förmliche Ausschreibung erfolgt, wird durch die Bekanntmachung ein Mindestmaß an Transparenz gewährleistet.
  3. Schutz vor verdeckten Direktvergaben: Die Bekanntmachung verhindert, dass Aufträge vollständig unter Ausschluss der Öffentlichkeit vergeben werden.
  4. Rechtsschutzmöglichkeit für Wettbewerber: Durch die Veröffentlichung erhalten potenzielle Wettbewerber die Möglichkeit, die geplante Direktvergabe rechtlich überprüfen zu lassen, bevor der Vertrag geschlossen wird.

Inhalt einer Ex-ante-Bekanntmachung

Eine Ex-ante-Bekanntmachung muss in der Regel folgende Informationen enthalten:

  1. Angaben zum Auftraggeber: Name, Adresse und Kontaktdaten des öffentlichen Auftraggebers.
  2. Beschreibung des Auftragsgegenstands: Detaillierte Darstellung der zu beschaffenden Leistung oder Lieferung.
  3. Begründung für die Direktvergabe: Erläuterung, warum ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb oder eine freihändige Vergabe gerechtfertigt ist, mit Verweis auf die entsprechende Rechtsgrundlage.
  4. Angaben zum ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer: Informationen zum Unternehmen, an das der Auftrag vergeben werden soll.
  5. Vergabeverfahren: Klare Benennung des gewählten Vergabeverfahrens.
  6. Auftragswert: In der Regel wird auch der geschätzte Auftragswert angegeben.

Ablauf und Fristen bei einer Ex-ante-Bekanntmachung

Der typische Ablauf einer Ex-ante-Bekanntmachung gestaltet sich wie folgt:

  1. Veröffentlichung: Die Bekanntmachung wird im EU-Amtsblatt (bei Aufträgen oberhalb der EU-Schwellenwerte) oder in anderen geeigneten Medien veröffentlicht.
  2. Wartefrist: Nach der Veröffentlichung muss der Auftraggeber eine Frist von mindestens 10 Kalendertagen abwarten, bevor er den Vertrag schließt. Diese Frist beginnt am Tag nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung.
  3. Überprüfungsmöglichkeit: Während dieser Frist können betroffene Unternehmen ein Nachprüfungsverfahren beantragen, wenn sie der Meinung sind, dass die Voraussetzungen für eine Direktvergabe nicht erfüllt sind.
  4. Vertragsschluss: Wird innerhalb der Frist kein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, kann der Auftraggeber den Vertrag schließen. Der Vertrag kann dann später nicht mehr wegen eines Verstoßes gegen die Vergabevorschriften für unwirksam erklärt werden.

Chancen und Risiken der Ex-ante-Bekanntmachung für Bieter

Chancen für Bieter:

  • Informationsgewinn: Bieter erhalten Informationen über geplante Direktvergaben und können ihre Geschäftsstrategie entsprechend anpassen.
  • Rechtsschutzmöglichkeit: Die Bekanntmachung ermöglicht es Unternehmen, gegen ungerechtfertigte Direktvergaben vorzugehen.
  • Markttransparenz: Verbesserte Transparenz über Vergabeentscheidungen öffentlicher Auftraggeber.

Risiken für Bieter:

  • Kurze Reaktionsfristen: Die 10-Tage-Frist für ein mögliches Nachprüfungsverfahren ist relativ kurz und erfordert schnelles Handeln.
  • Schwellenwerte: Die Ex-ante-Bekanntmachung kommt in der Regel nur bei Aufträgen oberhalb der EU-Schwellenwerte zur Anwendung.
  • Beweislast: Im Nachprüfungsverfahren muss der Bieter nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine Direktvergabe nicht vorliegen.

Praktische Tipps für Bieter im Umgang mit Ex-ante-Bekanntmachungen

  1. Regelmäßige Überwachung der Bekanntmachungsplattformen: Bieter sollten regelmäßig die relevanten Plattformen (insbesondere TED - Tenders Electronic Daily) auf Ex-ante-Bekanntmachungen in ihrem Marktsegment überprüfen.
  2. Schnelle Reaktion: Bei Bedenken gegen eine geplante Direktvergabe ist schnelles Handeln innerhalb der 10-Tage-Frist erforderlich.
  3. Rechtliche Beratung: Vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens sollte eine fundierte rechtliche Beratung eingeholt werden, um die Erfolgsaussichten zu bewerten.
  4. Dokumentation eigener Kompetenzen: Unternehmen sollten ihre besonderen Kompetenzen und Alleinstellungsmerkmale gut dokumentieren, um bei Bedarf nachweisen zu können, dass sie ebenfalls für die Auftragsausführung in Frage kämen.
  5. Netzwerke aufbauen: Gute Kontakte zu öffentlichen Auftraggebern können helfen, frühzeitig über geplante Vergaben informiert zu sein.

Fazit – Bedeutung der Ex-ante-Bekanntmachung im Vergaberecht

Die Ex-ante-Bekanntmachung stellt ein wichtiges Instrument im modernen Vergaberecht dar, das einen Ausgleich zwischen der Flexibilität für Auftraggeber bei Direktvergaben und dem notwendigen Schutz des Wettbewerbs schafft. Für Bieter bietet sie die Möglichkeit, Informationen über geplante Direktvergaben zu erhalten und bei Bedarf rechtlich dagegen vorzugehen. Gleichzeitig schafft sie für Auftraggeber Rechtssicherheit bei der Nutzung von Ausnahmetatbeständen für Direktvergaben. Die sorgfältige Beobachtung von Ex-ante-Bekanntmachungen kann für Bieter daher ein wichtiger Bestandteil ihrer Strategie zur Teilnahme an öffentlichen Aufträgen sein.